
Projekt: Fremdsprache lernen
Wie bei so vielen Dingen, flattert plötzlich etwas auf den Schreibtisch. Eine Aufgabe, ein Vorhaben. Doch wie wir es behandeln, ist davon abhängig, ob es ein Projekt ist oder nicht. Das heißt, das ist der erste Filter den wir brauchen. Unser Unterscheidungskriterium: Handelt es sich um ein Projekt oder handelt es sich nicht um ein Projekt?
Bei mir kam die Anfrage rein, ob ich meine Projektmanagement-Trainings nicht auch auf Englisch halten könnte. Mein Englisch ist grundsätzlich solide, auch wenn ich es im Alltagsgebrauch fast nicht benutze – mal ausgenommen von englischen Fachartikeln die ich lese. Und die Anfrage ist schon öfter an mich gestellt worden. Doch bisher hatte ich immer abgelehnt, weil mir der Aufwand, der Umfang des Aufbereitens der Sprache für ein Training als viel zu aufwendig erschien. Doch dieses Mal habe ich mich anders entschieden und habe mir gedacht: „Warum nicht? Das ist etwas, was ich sowieso schon lange machen wollte, auch auf Englisch zu unterrichten und warum jetzt nicht die Chance nutzen?“
Ist es wirklich ein Projekt?
Die Frage ist durchaus gerechtfertigt. Denn wenn es ein Projekt ist, dann gibt es auch erhöhte Risiken und dann sollte ich natürlich mit einem gewissen Risikomanagement diesen Risiken auch gerecht werden. Schauen wir uns das mal an. Startzeitpunkt ist in dem Moment gewesen, wo ich mich entschieden habe und Endzeitpunkt ist der erste Trainingstermin, der nämlich auch schon gebucht wurde in Englisch. Das heißt, es gibt nur einen begrenzten Zeitraum, in dem ich mich überhaupt soweit hochtrainieren kann, dass ich ein Projektmanagement-Training auf Englisch geben kann. Damit trifft das erste Kriterium für ein Projekt von einem definierten Anfang und einem definierten Ende zu. Es gibt eine gewisse Komplexität, es gibt gewisse Risiken, wir haben begrenzte Ressourcen. Ich stehe nicht unendlich viel für dieses Projekt zur Verfügung und es steht nicht unendlich viel Geld für dieses Projekt zur Verfügung.
Im Großen und Ganzen kann ich also sagen: Es handelt sich um ein Projekt und dazu gehört dann natürlich auch eine Planung.
Aber hier gibt es eine ganz große Herausforderung, denn es handelt sich um ein Alltagsprojekt. Und so wird es vielleicht auch dir gehen. Du hast Vorhaben, die sind vielleicht halb für die Arbeit, halb fürs Privatleben – vielleicht auch ganz für die Arbeit aber halb im Alltag verankert. Und Projekte im Alltag umzusetzen ist für die meisten Menschen viel viel schwieriger, als Projekte in einem begrenzten Rahmen umzusetzen.
Der Alltag steht dem Projekt im Weg
Mir ist relativ schnell klargeworden, von anderen Versuchen und Vorhaben Dinge nebenbei zu lernen, dass hier eine besondere Herausforderung drin liegt. Denn auf der einen Seite gibt es den Termin, der immer näher rückt, zu dem es vorhanden sein muss und auf der anderen Seite ist es aber so, dass es gerade diese kleinen Veränderungen im Alltag sind, die besonders schwerfallen umzusetzen. Aus diesem Grund habe ich mich damit beschäftigt, wie man am besten Sprache lernen kann – in diesem Fall Englisch – und habe für mich ein paar Grundregeln definiert.
Das Erste war, dass ich versucht habe, Serien ab diesem Zeitpunkt nur noch in Englisch zu konsumieren, mit englischen Untertiteln um auf der einen Seite das Hören zu trainieren, auf der anderen Seite aber die Wörter auch zu lesen und dann natürlich auch nachschlagen und in den eigenen Wortschatz aufnehmen zu können. Damit hatte ich schon zweimal sehr erfolgreich mein Englisch verbessert – jeweils bevor ich für eine längere Zeit in die USA geflogen bin, um Urlaub zu machen.
Der zweite Punkt ist, dass mir ziemlich schnell klargeworden ist, dass ich mehr Zeit ins Reden und Schreiben investieren muss. Allerdings war es für mich schwierig, im Alltag jemanden zu finden, der regelmäßig mit mir auf Englisch spricht. Deswegen habe ich es erst einmal nur ins Schreiben integriert. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich zwei Mitarbeiter im virtuellen Team, die sich beide bereiterklärt haben, alle Briefings und alle schriftlichen Einigungen, nur noch auf Englisch durchzuführen. Das hatte auf jeden Fall einen großen Trainingseffekt und hat auch nebenbei sehr gut funktioniert. Trotzdem rückte der Termin immer näher und näher und ich hatte nicht das Gefühl, dass sich meine sprachliche Qualität deutlich verbessert hat.
Unter Druck funktionieren wir Projektmanager besser
Vielleicht kennst du das auch von dir. Du hast eine Sache, auf die du dich vorbereiten musst – eine wichtige Prüfung, ein wichtiges Vorhaben, eine wichtige Präsentation. Und du merkst, wie du nicht die Zeit investierst, die du eigentlich investieren solltest. Warum das so ist, ist für uns selbst recht schwer zu durchschauen. Ich habe dazu einen sehr spannenden Artikel in der Zeitschrift „Psychologie Heute“ gelesen, der mich zu einem weiteren Verständnis geführt hat. Kurz gesagt ist die Erklärung, die dahintersteht, dass wenn wir uns im Vorfeld nicht genug Mühe geben, wir immer eine Ausrede für ein potenzielles Scheitern haben. Das heißt, wenn wir unser Bestes gegeben haben und dann scheitern, ist dieses Versagen natürlich viel schmerzhafter, als wenn wir gerade nicht unser Bestes gegeben haben. Denn dann können wir immer sagen: „Na, wenn ich mein Bestes gegeben hätte, dann hätte ich es ja doch geschafft.“ Diesen Artikel habe ich wenige Wochen, bevor das Training beginnen sollte, gelesen. Und so ist mir dann bewusst geworden, dass das genau auf mich zutrifft. Dass ich viele Dinge vor mir hergeschoben habe, viele Sachen nicht gemacht habe in der Englisch-Vorbereitung, wo ich mich immer gefragt habe: „Warum mache ich das nicht?“ Ich weiß, dass ich grundsätzlich gut im Prokrastinieren bin aber es sich nicht angefühlt hat wie mein typisches Prokrastinieren. Irgendwas war anders. Und dann ist mir klargeworden, dass das voll auf mich zutrifft. Ich habe nicht mein Bestes gegeben, weil, wenn ich dann versagt hätte, hätte ich immer noch sagen können: „Ich habe ja nicht mein Bestes gegeben. Ich habe ja nicht alles gegeben. Das ist ja klar, dass ich versagt habe.“
In diesem Moment, als mir diese Erkenntnis kam, habe ich mich aber umentschieden. Ab jetzt hieß es, das Beste zu geben und zu akzeptieren, wenn ich dann versagen würde.
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Projektplanung: schneller Wissenszuwachs
Dadurch, dass ich mir klar darüber war, dass es sich um ein Projekt handelte, war mir ebenfalls klar, dass ich mich mit der Planung des Projektes beschäftigen muss. Das heißt, für mich gab es drei Phasen.
Die erste Phase war die des Identifizierens. Ich musste ganz gezielt schauen, welche Fachwörter ich in meinem Themenkomplex brauche, welche Fachterminologien und welche Redewendungen üblich sind. Hier gibt es zwei Vorgehensweisen. Die eine wäre gewesen, dass ich mir alle Informationen selbst beschaffe, und die andere – das ist die, die ich am Ende auch genommen habe – war die Aktivierung meines Netzwerkes. Und so habe ich ganz konkret in meinem Netzwerk rumgefragt, ob es Empfehlungen für Wortsammlungen im Englischen gibt. Innerhalb von wenigen Stunden hat mir jemand eine Seite empfohlen, auf der es genau die Listen, die ich brauchte, schon ausgearbeitet gab – zum Herunterladen und Ausdrucken. Listen mit Fremdwörtern und deren Bedeutung. Alles aus dem englischsprachigen Projektmanagement-Kontext.
Die zweite Phase war das harte Lernen. Ich gehöre eher zu den Menschen, die intuitiv und nebenbei lernen. Ich habe eine starke autodidaktische Begabung und das führt dazu, dass ich durch Begeisterung lerne und mich in wenigen Situationen wirklich dazu zwingen muss zu lernen. In diesem Moment war das aber anders. Ich musste mich zwingen zu lernen. Und so habe ich das rausgekramt, was ich in der Oberschule im Nachhilfeunterricht gelernt habe und fing an, mir die Fremdwörter und die deutsche Bedeutung auf Karteikarten zu schreiben und damit jedes einzelne Wort zu üben – hartes Lernen.
Die dritte Phase war die Anwendung. Ich weiß – gerade auch aus meinen Trainings – wie wichtig es ist, die Dinge nicht nur in der Theorie zu machen, sondern sie praktisch anzuwenden. Und das hieß für mich üben. Ganz konkret üben. Ich habe jedes meiner Trainingsthemen in Englisch vorbereitet, habe mir die Wörter zurechtgelegt, habe mir Stichpunkt-Karten erstellt, was ich wann wie sagen möchte. Und an dieser Stelle sei angemerkt, dass ich das seit vielen vielen Jahren nicht mehr gemacht habe. So bin ich damals in meine ersten Trainings eingestiegen, dass ich mir das alles zurechtgelegt habe. Heute erzähle ich fast alles, was ich sage, aus dem Stegreif, weil die Inhalte einfach so tief in mir verankert sind. Aber wenn einem die Worte fehlen, dann geht auch die eigene Eloquenz verloren. Und deswegen fand ich es unheimlich wichtig, mich im englischen Ausdruck entsprechend vorzubereiten. Und so habe ich auf der einen Seite diese komplette Vorbereitung übernommen, alles strukturiert und mir aufgeschrieben. Und auf der anderen Seite habe ich aber auch ganz konkret jedes Thema geübt. Ich habe zum Beispiel einiges an Zeit damit verbracht, vor dem Spiegel alles zu sprechen.
War das eine Herausforderung? Ja, das war eine Herausforderung, aber ich habe sie gemeistert.
Projektende und Projektanfang
Der Tag des ersten Trainings rückte immer näher und ich wurde immer aufgeregter. Obwohl ich fachlich vollkommen sicher bin und auch kein Problem damit habe vor Aufsichtsräten zu sprechen, die zwanzig oder auch dreißig Jahre älter sind als ich, war ich seit langem mal wieder richtig aufgeregt. Mit Schweiß auf der Stirn, feuchten Händen und schwerem Atem – auch mal wieder eine spannende Erfahrung. Zu meinem Glück habe ich das erste Training ziemlich erfolgreich gemeistert. Natürlich haben mir im Laufe des Trainings immer mal wieder Wörter gefehlt, doch am Ende konnte ich sie umschreiben. Und das hat ausgereicht, denn es war ja kein Training mit Native Speakern, sondern wir waren alles Menschen, die nicht muttersprachlich Englisch sprachen. Und so hat es einfach gepasst und ich habe gemerkt, wie meine Aufregung Stück für Stück weniger geworden ist und wie ich mich immer mehr von den Handkarten lösen konnte. Inzwischen habe ich dieses Training schon mehrere Male durchgeführt und merke, wie sich meine Sprachqualität verändert hat, wie ich an Eloquenz dazugewonnen habe, wie ich immer mehr auch meine Wirkung als Trainer im Englischen entfalte und immer dichter an die Wirkung heranrücke, die ich im Deutschen auf meine Teilnehmer habe. Unterm Strich, für mich also eine große Herausforderung, die zu vollem Erfolg geführt hat.
Projektmanagement heißt auch „Lessons Learned“
Eine Sache, die ich in meinen Trainings immer wieder versuche zu vermitteln ist, sich mit den „Lessons Learned“ auseinanderzusetzen. Also der Frage: „Was habe ich von diesem Projekt gelernt?“ Und ich habe ganz viel für mich mitgenommen. Eine Erkenntnis ist, mein Portfolio aktiv immer wieder zu erweitern und auch in Bereiche vorzustoßen, die eine große Herausforderung für mich darstellen. Und das ist natürlich etwas, was ich hätte für mich behalten können. Ich hätte jetzt so tun können, als ob ich schon immer gut Englisch gesprochen habe. Ich hätte so tun können, als ob ich das ganz normal finde ein Training auf Englisch durchzuführen. Aber so ist es nicht. Ich glaube, es gibt Menschen mit einer Sprachbegabung und für die ist es relativ einfach. Und es gibt Menschen, die haben diese Sprachbegabung nicht so sehr. Ich gehöre eher zu der zweiten Gruppe. Ich habe in der Schule immer wieder Dreien und Vieren in Englisch gehabt.
Aber am Ende geht es um den Willen. Es geht darum, ob man etwas erreichen will, ob man sich der Herausforderung stellt.
Und ich für mich kann sagen: „Ich habe mich der Herausforderung gestellt. Es war erfolgreich und ich konnte mein Portfolio erweitern. Ich kann nun englischsprachige Trainings anbieten und das Teilnehmerfeedback fällt genauso gut aus, wie bei meinen deutschen Trainings.“ Und ich glaube, wir sollten offen damit umgehen, wenn wir an unsere Grenzen stoßen, denn davon können andere lernen. Sie können sehen: „Ach guck mal an, der ist gar nicht so perfekt. Der kann das alles gar nicht so toll. Der haben sich das erarbeitet. Dann kann ich mir das doch auch erarbeiten.“ Ich finde, das ist eine der wichtigsten Erkenntnisse, dass du dir Dinge erarbeiten kannst – und das kommt durch Willen und Hartnäckigkeit.
Meine zweite große „Lessons Learned“ ist üben. Üben, üben, üben. Ich sage das in meinen Trainings immer wieder. Auch wenn ich der Typ bin, der zum Glück nur wenig üben muss. Aber gerade wenn ich vor großen Herausforderungen stehe, dann muss auch ich üben. Reden vor vielen Menschen mit hoher Bedeutung für mich, die übe ich vorher. Ich plane sie vorher. Ich konzipiere sie und ich stelle mich hin und trainiere mich selbst darin, immer besser zu werden. Und das ist etwas, was ich dir auch nur mit auf den Weg geben kann. Die wenigsten Leute sind im ersten Durchlauf toll, aber im dreißigsten, vierzigsten oder fünfzigsten Durchlauf wird es auch bei denen, die sich am Anfang noch schwergetan haben, in der Regel besser.
Eine Sprache zu lernen, ist ein Projekt. Und ich glaube, dass mit Grundzügen vom Projektmanagement – vor allem, was strukturiertes Vorgehen angeht – diese Herausforderung von den meisten Menschen gemeistert werden kann. Ich wünsche dir, dass du dich offen deinen Herausforderungen stellst, dass du dich offen neuen Projekten stellst – sei es eine Sprache oder irgendetwas anderes – und an diesen Herausforderungen wächst.
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